Auf Nebenwegen nach Slowenien

 Sonntag, 21.7.2019 – Erkundungstour: Nach einem späten Frühstück, zu dem sich Arist gesellt, der, wie ich, schon einen Tag früher angereist ist, plaudere ich noch ein wenig mit Martina und Markus, den Inhabern vom Berghof Brunner, bevor ich mich auf meine kleine Erkundungstour mache. Eine unsere Tagestouren soll nach Slowenien und über den Radlpass zurück nach Österreich führen; bei Leifling habe ich eine winzige Straße entdeckt, die parallel zur Bundesstraße entlang der Drau führt und sicher mehr Fahrspaß als die B 80 verspricht. Die Frage ist nur: ist die Strecke durchgehend asphaltiert? Das ist auf Nebenstrecken in Slowenien nicht immer der Fall.


Bevor ich das herausfinden kann, klingelt mein Handy. Stefan ist dran, einer meiner beiden Tourguides. Kein gutes Zeichen. In der Tat: sein Motorrad habe heute morgen auf den ersten Kilometern nur noch mahlende Geräusche von sich gegeben, erklärte er mir. Offensichtlich sei irgendwas am Antriebsstrang defekt. Die Weiterfahrt insofern unmöglich, er fahre jetzt erst mal mit dem Zug wieder nach Hause. Dann würden wir weitersehen, lautet die unerfreuliche Botschaft.

„Wenn Du magst, kannst Du meine Suzuki DR 650 haben, die als Ersatzmotorrad im Ducato steht“, biete ich an. Die ist vielleicht nicht ganz so bequem wie eine 1150er GS, aber sie fährt und das eigentlich nicht schlecht. „Überleg mal und lass uns heute Abend noch mal telefonieren“, meine ich. Da Dieter noch als weiterer Tourguide zu uns stoßen wird, können wir die 20 Teilnehmer notfalls auch in zwei Gruppen aufteilen, aber schöner wäre es schon zu dritt. Schauen wir mal …

Ich stürze mich die schmale Straße vom Berghof Brunner hinunter, halte kurz am Sonneggersee, der zum Baden geradezu einlädt, und erreiche bald das Pestkreuz von Bleiburg. 1777 wurde es errichtet, im Gedenken an die Pestepedemie, die in den Jahren 1715 und 1716 wütete und allein in Bleiburg 216 Opfer forderte.

Wenige Kilometer später stoppe ich an der Hängebrücke St. Lucia; sie gilt als die längste Steilseil-Hängebrücke Österreichs – – zumindest im Jahr der Eröffnung, 2013. Als Touristenattraktion ist sie wichtiger Anlaufpunkt für den 366 Kilometer langen „Drauradweg“, der vom italienischen Toblach (Dobbiaco) bis ins slowenische Maribor führt. 140 Meter lang und gut 45 Tonnen schwer überspannt die extravagante Stahlseilkonstruktion den 60 Meter tiefen Feistritzgraben; genau das Richtige für meine ausgeprägte Höhenangst.

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Kurz vor Lavamünd zweige ich auf eine kleine Nebenstraße ab, die rechts der Drau verläuft – die gesuchte „Alternativroute“. Auf schmaler Trasse erreiche ich Leifling und damit die Grenze zu Slowenien. Kein Schlagbaum und keine lästigen Kontrollen halten mich auf – die freie Fahrt durch Europa fasziniert mich immer wieder aufs Neue.

Malerisch verläuft das schmale Asphaltband, das jetzt die Nummer 699 trägt, durch einen dichten Wald, der nur gelegentlich den Blick auf die Drau und die Bundesstraße auf der anderen Uferseite frei gibt. Da brummen dicke Lastwagen gen Osten, ich hingegen habe die vor mir liegende Strecke ganz für ich alleine. Nur ein kurzes Stück des Weges ist nicht asphaltiert. Doch der Untergrund ist fest, das kurze Stück Naturpiste lässt sich auch mit Straßenmotorrädern fahren.

Hinter Trbonje geht’s wieder über die Drau und auf der Bundesstraße, die jetzt die Nummer 1 trägt. Bei Radlje ob Dravi setze ich den Blinker links. Der Ort trug bis nach dem Zweiten Weltkrieg auch im slowenischen den Namen „Marenberg“, wurde aber 1952 umbenannt. Grund hierfür war ein 1948 erlassenes Gesetz, wonach alle deutschen Orts- und Straßennamen zu eliminieren seien.

Kurvenreich geht es die Straße 434 die Lavanttaler Alpen hinauf, dem Radlpass entgegen. Im letzten Drittel findet sich rechter Hand eine „Gostice“, ein kleines Rasthaus, bei dem ich nachfragen will, ob und wann es einen Ruhetag gibt. Denn bei unserer Tagestour entlang der Drau würde ich hier vormittags gern eine kurze Rast einlegen – was problemlos möglich ist, wie sich schnell herausstellen wird.

Bevor ich die Grenze zu Österreich erreiche, die direkt über den Radlpass verläuft, muss ich erst einmal das Bordwerkzeug rauskramen. Beim Starten des alten Zweiventilers gab es eine laute Fehlzündung, die den linken Vergaser regelrecht „absprengte“. Schnell sind die Schellen, die die Gummistutzen halten, gelöst, der Vergaser wieder montiert und alles festgezogen – hoffentlich passiert mir das während der Tour nicht noch einmal …

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Bei 662 Metern über Normal Null ist die Passhöhe erreicht. Wiesen und Wälder prägen die Landschaft, die unter Schutz gestellt ist, um deren Charakter zu erhalten. Die Straße über den „Radl“, der im slowenischen „Radelj Prelaz“ heißt, verbindet das slowenische Drautal mit der österreichischen Steiermark. Wenig später ist die „Südsteirische Grenzstraße“ erreicht, die über eine Länge von insgesamt 107,6 Kilometern kurvenreich der kaum noch sichtbaren Grenze der beiden Länder folgt.

Wechselnder Straßenbelag und viele Kurven machen die Strecke nach Soboth zu einer kleinen Herausforderung, der ich mich gerne stelle. Allerdings frage ich mich zunehmend, ob ich noch trocken im Hotel ankommen werde? Die dunklen Wolken, die kurz nach dem Grenzübertritt aufgezogen sind, scheinen immer bedrohlicher. Bald darauf fängt es tatsächlich an zu tröpfeln.

Was tun? Weiterfahren zum Soboth-Stausee, in der Hoffnung, dass das Cafe dort geöffnet ist. Telefonisch war in den Tagen zuvor Niemand erreichbar. Oder umdrehen und zurück nach Soboth, in den Alpengasthof Messer? Dort wollen wir bei unserer Tour entlang der Drau zu Mittag essen. Ich entscheide mich, angesichts der kürzeren Distanz, für Letzteres und kann gerade noch rechtzeitig vor dem großen Schutt die G/S abstellen.

Auf der Terrasse sitzend genieße ich das Prasselns des Regens auf die Blätter der großen Kastanie unter der mein Motorrad steht – und ein Stück leckere Joghurt-Torte. Dazu ein großer Latte-Macchiato; so lässt es sich aushalten.

So schnell, wie sie gekommen waren, verzogen sich die Regenwolken auch wieder, so dass ich meine Fahrt bald wieder fortsetzen konnte. Anders als geplant ging es nun auf relativ direktem Weg Richtung Hotel. Ein letztes Highlight des heutigen Tages: die Soboth-Pass-Straße, die sich – bei strahlendem Sonnenschein – von gut 1.000 Metern Höhe mit bis zu 15 Prozent Gefälle die Koralpe hinabstürzt.

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In den 70er Jahren war die Strecke Teil der berüchtigten „Gastarbeiterroute“. An Spitzentagen wurden bis zu 40.000 Fahrzeuge gezählt, oftmals überladen und von übermüdeten Fahrern gesteuert. Viele Unfälle waren die Folge. Heute ist die Pass-Straße vor allem bei Motorradfahrern beliebt, die leider auch immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Ein tödlicher Unfall im Juni 2019 hat die Rufe nach einer Streckensperrung wieder laut werden lassen. Seinerzeit war ein bereits mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fahrender Biker von einem anderen mit mehr als 140 km/h überholt worden.

Als wenig später ein Auto am Ausgang einer Kurve in die Bundesstraße einbiegt, hat der Raser keine Chance; er kracht ungebremst in das Auto und stirbt noch an der Unfallstelle. Schwer verletzt wird der überholte Biker, der – wie auf dem Video zu sehen ist – zur „Aufholjagd“ angesetzt hatte und ebenfalls in die Unfallstelle prallt. Auf oe24 ist ein Teil des aufrüttelnden Videos zu sehen, das einer der beiden Motorradfahrer mit seiner Helmkamera aufgenommen hatte. Die Aufnahme stoppt vor dem eigentlichen Crash, ist aber sehr eindrücklich. Hier wäre der Link: Raser-Video

Heute wird die Geschwindigkeitsbegrenzung häufig mit Radarkontrollen überwacht. Auch am Sonntag standen die Herren in blau mit ihrer Kamera nahe des Soboth-Stausees am Straßenrand. Entsprechend gemütlich lasse ich es angehen und werfe bei der Fahrt bergab noch einen kurzen Blick auf den Würstelstand unterhhalb der Passhöhe, an dem sich die „Lokalmatadore“ immer wieder mal auf einen Kaffee und eine Käsekrainer treffen.

Um kurz nach 18 Uhr bin ich zurück im Hotel. Die meisten Teilnehmer sind schon da. Während Charly noch seine BMW aus dem Transporter rollt, sitzt der Rest der bereits Anwesenden gemütlich beim Feierabendbier zusammen. Von meinem Zimmer mit Balkon aus genieße ich am frühen Abend den Blick die Berge, bevor es zum Essen geht. Markus hat wieder prima gekocht: heute gibt es Schweinenackensteak.

2 Antworten zu “Auf Nebenwegen nach Slowenien

  1. Krasse und unglückliche Unfallsituation.
    Allerdings glaube ich, auch mit 50 km geringerer Geschwindigkeit wäre der plötzlich in der leichten Rechtskurve auftauchende Kombi, zum Problem geworden.

  2. Thema Geschwindigkeit und deren „behördliche“ Begrenzung

    Zum mal wieder von einigen Gesellschaftsschichten geforderten Tempolimit auf Autobahnen von max. 130 km hieß es jüngst in den Medien, dass sich sogar der ADAC für diese allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung ausgesprochen hätte.
    Als ich das in den Nachrichten hörte, wollte ich meine fast 50-jährige Mitgliedschaft sofort kündigen, habe aber zunächst mal den ADAC angeschrieben und um deren genaue Verlautbarung hierzu gebeten (…um nicht einer etwaigen Falschmeldung auf den Leim zu gehen).

    Zum Verständnis:
    Rein theoretisch käme ich mit 130 km/h zurecht.
    Nun fährt man mal mit dem Auto und denkt an was anderes (…an was schönes, z.B. ans Mopetfahren) und hat schnur stracks mal 140/150 auf dem Tacho und genau dann steht da so ein Blitzer (auch wenn’s keine Gefahrenstelle ist, oder gerade dort zum Kasse-Machen).
    Ganz schnell kann man so zu Punkten in Flensburg kommen und unter unglücklichen Umständen, als nicht mehr zu den ganz jungen Leuten gehörender, den „Lappen“ verlieren.

    Würde mal Eure Meinung hierzu hören.

    Viele Grüße aus Niederzissen

    Herbert

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