Dienstag, 10.9.2019 / Cevennen – Dritter Tourtag: Dunkle Wolken schieben sich am frühen Morgen über den Himmel. Kaum sitzen wir beim Frühstück zusammen, fängt es an zu regnen. Entgegen der sonst üblichen Gepflogenheiten, beschließen wir, nicht um 9 Uhr los zu fahren, sondern erst einmal abzuwarten. Das nasskalte Wetter auf 1200 Metern Höhe ist nicht gerade einladend. Vielleicht wird es gegen Mittag ja besser?
Die Zeit bis dahin vertreiben wir uns, indem wir uns erst einmal die kurzen Relive-Videos der ersten Tage anschauen oder auf dem Zimmer vor uns hin dösen. „Wenn wir zu einer Tour aufbrechen sollten, rufe ich laut über den Flur“, verspreche ich, so dass Jeder seinen Interessen nach gehen kann.
Gegen 12 Uhr klart der Himmel ein wenig auf. Sofort tobt Charly durchs Hotel – der ansonsten das Wasser scheut, wie der Teufel das Weihwasser – und drängt auf eine baldige Abfahrt. „Wir sind doch zum Motorrad fahren da“, meint er – und hat damit nicht unrecht.
Ich krame meine neuen, noch recht steifen Stiefel aus dem Ducato, die ich längst schon auf Dichtigkeit überprüfen wollte, und meine: um halb eins geht’s los. Mit mir brechen Charly und Ingrid, Bernhard und Thea sowie Hans zur Halbtages-Exkursion auf. Alle anderen bleiben skeptisch (und damit im Hotel), sagt die Wetter-App doch für den Nachmittag neue Regenschauer voraus.
Unser erster Ziel ist die „Auberge de Peyre“, nahe Saint-Pierre-Saint-Jean, an einer Straßenkreuzung inmitten der Berge gelegen. Hier hatten wir uns eigentlich fürs Mittagessen angekündigt, das wir heute wohl nicht vor 14 Uhr einnehmen werden. Die zu fahrende Distanz der ersten Etappe misst gut 75 Kilometer, da werden wir gut eineinhalb Stunden für brauchen.
Auf kleinen Straßen geht es wieder hinauf in die Berge. Kurvenreich windet sich die D6 durch eine malerische Landschaft. Irgendwo im Nirgendwo kreuzt unser Weg die „Kurstadt“ Saint-Laurent-les-Bains“, deren Thermalquellen Linderung bei so manchem Wehwehchen verspricht. Es bleibt weiterhin trocken, auch wenn immer noch dunkle Wolken bedrohlich am Himmel stehen. Trotzdem erweist es sich als richtig, die Regenkombi übergezogen zu haben: es ist reichlich frisch, unter der Kombi aber „mollig“ warm.
Mitten in der Einsamkeit treffen wir auf eine Schafherde. Die Hütehunde treiben die vierbeinigen Wollknäule beiseite, so dass wir schnell wieder freie Fahrt haben. Dann ist die Auberge erreicht. Eigentlich ist die Küche nur bis 13:30 Uhr geöffnet, da wir aber angekündigt sind, bekommen wir trotzdem noch zu essen: eine wunderbare kalte Platte mit Schinken, Salami und Rillettes im Glas (eine typisch französische Delikatesse, die aus Gänse- oder Entenbrust.
In einem weiten Bogen geht es nun nach Jaucac. Die Stadt liegt in einem erloschenen Vulkankegel, in dessen Schlund wir unsere Kaffeepause einlegen wollen. Die Landschaft verändert sich merklich, als wir von der Hochebene hinunter ins Tal fahren. Rund um Lablachère wird „Ardeche-Wein“ angebaut. Nach der kargen (aber faszinierenden) Vegetation, die wir bisher durchstreift haben, ein völlig ungewohntes Bild.
In Lagentière erhaschen wir im Vorbeifahren einen Blick auf die mächtige Burg, die aus dem 13. Jahrhundert stammt und den kleinen Ort deutlich überragt. Dessen malerischen Gassen sind so schmal, dass sie häufig kaum einen Meter in der Breite messen. Schon die Römer wussten die eindrucksvolle Lage zu schätzen. Sie bauten im Lignetal Blei und Silber ab; die Minen wurden noch im 15. Jahrhundert genutzt. Die Bewohner von Langentière blicken stolz auf ihre Vergangenheit zurück und nennen sich selbstbewusst „Largentiérois“.
Kurvenreich geht es nun stetig bergan. Wir haben zwischenzeitlich die D5 unter die Räder genommen, die besonderen Fahrspaß verspricht. Es geht den „Col de la Croix de Millet“, hinauf, der mit rund 780 Metern Höhe noch deutlich unter der 1.000 Meter-Marke bleibt. In Prunet säumen dichte Kastanienwälder die schmale Straße. Die Esskastanie gilt als das Wahrzeichen des Départements Ardèche, in dem wir uns gerade befinden. Rund 5.000 Tonnen werden in der Region pro Jahr produziert; wir sind im größten Anbaugebiet für Kastanien in Frankreich.
Dann haben wir den Rand des erloschenen Vulkans erreicht und schrauben uns so langsam in die Tiefe. Ein irgendwie mulmiges Gefühl, wenn man weiß, wo man sich gerade befindet.
Im „Café du Commerce“, das am Rande des Place du Champ de Mars legen wir unsere Kaffeepause ein. Neben uns sitzen ein paar Ortsansässige und trinken ein Bier, ein alter Mann mit verwaschener Hose öffnet die Tür seines leicht verbeulten Renaults, damit sein Hund auf dem Beifahrersitz Platz nehmen kann, währenddessen schlendern zwei Frauen über den staubigen Platz, auf dem ansonsten wohl Boule gespielt wird. Frankreich, wie wir es lieben.
Charly entdeckt nahe des Cafés eine metallene Skulptur. Wir fragen uns, ob er heimlich dafür Modell gestanden hat? Eine gewisse Ähnlichkeit scheint vorhanden …
Noch gut 75 Kilo sind es von Jaujac zum „Hotel de la Poste“ in Châteauneuf de Randon. Wir biegen zunächst auf die D19 ab und folgen dem Lauf des kleinen Flüsschen Lignon, hin zu dessen Quelle. Die liegt die nahe des Passes „Croix de Bauzon“, unserem nächsten Ziel. Rauf auf 1308 Meter geht es, in einem wahren Kurvenfeuerwerk. Mitten durch den „Parc naturel régional des Monts d’Ardèche“ – quasi den bergigen Teil der Ardèche – führt das schmale Asphaltband. Wir können uns gar nicht satt fahren.
Oben auf dem Pass grüßen uns einige Rennradfahrer, die sich allein mit Muskelkraft die Berge „hinauf strampeln“ – meine Hochachtung.
Kurz nach sechs sind wir wieder im Hotel. Auf der gesamten Distanz seit der Kaffeepause haben wir gerade einmal zwei Autos überholt. Ideale Bedingungen für eine entspannte Motorradtour. Auch dafür mögen wir die Cevennen.
Das Abendessen ist wieder ein Genuss. Und die Wetter-App verspricht für morgen strahlenden Sonnenschein. Da können wir satt und zufrieden schlafen gehen.
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Der Kartenausschnitt zeigt die Strecke, die wir am Dienstag, den 10.9.2019 zurückgelegt haben. Im anschließenden Post siehst Du die Route auch im Video. Das haben wir, zusammen mit einem kurzen Text; schon während der Tour veröffentlich.
Quelle: MapOut – eine sehr empfehlenswerte App