ENDUROWANDERN IN LOTHRINGEN / Freitag, 3.5.2019 / 2. Tourtag – Ich kann nicht mehr sitzen, zumindest nicht mehr auf der kleinen Roten! Der gestrige Tag auf der Beta hat meinen Allerwertesten doch arg strapaziert. Die Sitzbank der Alp 200 ist schmal und steinhart – schon die letzten Kilometer zurück ins Hotel kamen am ersten Tourtag einem Martyrium gleich. Noch einen Tag – das halte ich nicht aus.
Mein Problem ist, dass ich mit meinen mehr als 1 Meter 90 Körpergröße nur schwer eine guten Stand auf kleinen Enduros finde. Meist ist der Lenker zu weit weg, um entspannt aufrecht stehend fahren zu können, der Kopf folglich zu sehr auf den Boden geneigt – und ehrlich gesagt: ich fahren im Gelände auch lieber im Sitzen als im Stehen. Doch zu viel sitzen tut weh, das muss ich nun schmerzlich erfahren. Folglich muss heute die 350er Suzi ran, die ist mit einer breiten, bequemen Sitzbank von Acerbis ausgestattet.
Das Frühstücksbuffet lässt keine Wünsche offen.
Erst einmal aber gibt es ein leckeres Frühstück, um gut gestärkt in den neuen Tag zu starten. Heute wollen wir das Roadbook Nummer 3 erkunden, dass uns in den Norden und damit ein Stück hinein ins Nachbarland Belgien führen wird.
Gleich hinter der Kirche von Dun-sur-Meuse starten wir in unser heutiges Abenteuer. Ein leicht verschlammter Waldweg fordert das erste Mal unsere Aufmerksamkeit. Da es die Nacht über ordentlich geregnet hatte, sind die Anforderungen an uns heute etwas höher.
Irgendwie sind die ersten Meter anstrengend. Liegt es am Motorrad? Die weichen Trailreifen, die auf der Beta montiert sind, und mit gerade mal 1 Bar Luftdruck gefahren werden, hatten sich gestern auf dem feuchten Untergrund geradezu festgesogen. Unbeirrt zog die Alp ihre Spur. Das Fahren war eine pure Lust. Die DR 350 präsentiert sich heute deutlich bockiger. Die aufgezogenen TKC 80 finden, trotz abgesenktem Luftdruck, auf dem matschigen Untergrund keinen optimalen Gripp, die richtige Spur zu treffen bedarf deutlich mehr Konzentration. Alles kein Problem, wenngleich der Spaßfaktor gestern deutlich größer war.
Auf einer Lichtung, unter einer Stromtrasse, legen wir einen ersten Stopp ein. Die „offizielle“ Route verläuft direkt entlang der Masten; doch rechter Hand finden sich am Hang tiefe Fahrspuren, die ein Mehr an Herausforderung versprechen. Für Jörg und Dieter eine willkommene Einladung, sich und ihre Enduros zu quälen.
Es folgt eine nasse Wiese, ein Weg mit tiefen Spurrillen und ein butterweicher Waldweg, bis wir in Bazeilles-sur-Othain eine weitere Pause einlegen.
Die kleinen Orte sind malerisch, die Landschaft ist es auch …
Kaum mehr als 100 Einwohner leben rund um die 1755 erbaute Kirche „St. Martin“ malerisch am Ufer des gerade einmal 67 Kilometer Länge messenden Flusses Othain, der im „Waberland“ (Woëvre) entspringt. Mühlen muss es hier einmal gegeben haben, wie die Straßenbezeichnung vermuten lässt. Wir genießen die Ruhe sowie die malerische Aussicht, bevor wir uns weiter auf den Weg nach Montmédy machen. Da gibt es am Supermarkt nämlich eine Tankstelle.
Auf den nächsten Kilometern überwiegt der Asphalt, wofür ich irgendwie dankbar bin. Heute nerven mich die ausgewaschenen Wege mit ihren tiefen Spurrrillen und der oft rutschige Untergrund. Ob´s am Regen in der Nacht oder dem heute benutzten Motorrad liegt? Wer weiß?
Nach gut der Hälfte der heutigen Wegstrecke stehen wir an der Tanke und machen noch mal voll, denn die nächste Gelegenheit wird sich erst wieder in Dun-sur-Meuse ergeben. Und bis dahin sind es noch gut 70 Kilometer …
Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Grenze nach Belgien. Dann folgt ein langer Track auf unbefestigten Wegen. Ich überlege, ob ich mir das wirklich „antun“ will. Oder ob es nicht besser wäre, am Nachmittag diesen Teil Lothringens vorwiegend auf Asphaltstraßen zu entdecken? In Stenay am Hafen eine Kaffee zu trinken? Und so ein wenig Kraft für den morgigen Tag zu tanken. Denn auch am Samstag, dem Tag der Abreise, wollen wir wenigstens noch bist Mittag unterwegs sein.
In Ecouviez lasse ich die DR 350 nahe der Eglise Saint-Michael ausrollen – und frage Jörg, ob er nicht die Führung übernehmen wolle? Mir sei der Sinn im Augenblick mehr nach Straße. „Wenn ich die Wege finde, gerne“, macht er nach kurzem Überlegen deutlich. Das sollte kein Problem sein – war es am Ende auch nicht. Danke.
Und so fahren die Enduroristen weiter nach Belgien und das „Weichei“ zurück Richtung Hotel – vorbei an der „Casemate Saint Antoine“ und der gewaltigen Zitadelle von Montmédy. Deren Ursprünge reichen bis ins Jahr 1221 zurück. 1657 belagerten 30.000 Soldaten unter Führung König Ludwig XIV die Festung 57 Tage lang. Die 756 Männer, die diese fast zwei Monate verteidigten, ergaben sich erst nach dem Tod ihres Gouverneurs. Auch Jean, d´Arc begegnet mir unterwegs. Ihr wurde ihr am Wegesrand nahe Thonne-les-Prés ein Denkmal errichtet.
Auf vorwiegend kleinen Straßen, die sich durch eine malerische Landschaft winden, (und über den einen oder anderen Feldweg – so ganz lassen kann ich es ja doch nicht), geht es recht gemütlich in Richtung Dun-sur-Meuse. Auf wilden Wiesen stehen neugierige Kühe unter weit ausladenden knorrigen Bäumen; oft schlängelt sich das schmale Asphaltband durch eine leicht hügelige, anmutig wirkende Landschaft. Mehrfach quert die Straße die Maas; an vielen der Brücken erinnern Info-Tafeln daran, wie lange der jeweilige Übergang im 1. Weltkrieg gehalten und wann er von deutschen Truppen eingenommen wurde. Das grenzüberschreitende Projekt „Chemins de memoire“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Finde ich persönlich toll.
In Stenay angekommen, ist der „Hafen“ schnell gefunden – allein das kleine Café hat geschlossen. Eine Erfahrung, die wir bei unserer Tour immer wieder machen: Die Infrastuktur ist mehr als dürftig. Wenn, hat die Gastronomie nur über Mittag und am Abend auf, es gibt viel Leerstand und reichlich Verfall. Und doch hat das Motorrad fahren in Lothringen durchaus seinen Reiz.
Hier hätte sich schön ein Kaffee trinken lassen …
Ihren Spaß haben auch Jörg und Dieter. So manches kleine Hindernis gilt es bei ihrer Endurowanderung zu überwinden; dass ein ums andere Mal auch ein „Scheitern“ in Kauf genommen werden, gehört dazu. Etwa wenn die Wege so verschlammt sind, dass sich die Motorräder festfahren. Oder wenn ein dicker Baum den Weg blockiert. Dafür sind die kleinen „Eselspfade“ umso schöner und auch die Fahrt entlang des Kanals hat durchaus ihre Reize.
Am späten Nachmittag treffen wir alle wieder im Hotel ein. Jörg spendiert eine Runde Dosenbier und wir betrachten unser „Tagwerk“ und die verursachten Kollateralschäden: die Motorräder sind ordentlich eingesaut, an einer Hand zeigen sich erste Blasen vom vielen Gas geben im Unterholz und einen Kabelbaum hat es zerfetzt. Der muss beim Einfedern Kontakt mit dem Hinterrad bekommen haben. Lässt sich alles wieder richten – wir sind mit uns und dem Geleisteten zufrieden.
Noch einmal gehen wir im „Les Colimencarts“ zum Abendessen. Eigentlich hätte uns auch der Pizza-Automat in der Stadtmitte gereizt, der rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche auf dem Holzfeuer gebackene Pizzen offeriert. Einen Versuch wäre es wert gewesen, allein, um mitreden zu können. Dann aber haben wir uns doch für den Restaurantbesuch entschieden.
Auf dem Weg zum Hotel bummeln wir noch ein wenig am Ufer der Maas entlang, genießen den Sonnenuntergang und lauschen den Vögeln und Enten, die lautstark zwitschern und quaken. Ländliche Idylle pur, die einen erholsamen Schlaf verspricht. Den werden wir brauchen, denn auch am morgigen Samstag wollen wir noch einmal zu einer Endurowanderung rund um Dun-sur-Meuse aufbrechen. Gute Nacht 😉
Was für eine Idylle – zu finden im „Großen Osten“ Frankreichs.
Das Ganze gibt es – weil es so schön ist – auch mit Ton:
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Jörg hat den Routenverlauf in einem kleinen Video zusammengefasst. Das wollen wir Euch zum Abschluss nicht vorenthalten. Hier ist der Link zum Relieve
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HINTERGRUND-INFOS
Tanken in Montmédy:
Automat am SuperU
Avenue de Verdun
55600 Montmédy
Kaffeepause in Stenay:
Cafe du port
26 Rue du Port
55700 Stenay
Tel.: 33 3 29 80 68 31
Öffnungszeiten erfragen!
Tanken in Dun-sur-Meuse:
Station Doer
55110 Dun-sur-Meuse
Tel.: 03 29 80 86 72
Abendessen in Dun-sur-Meuse:
Les Colimencarts
15 rue Sainte-Margueritte
55110 Dun-sur-Meuse
Tel.: 03 29 80 81 80
Übernachtung in Dun-sur-Meuse:
Relais Fasthotel „Le Rale des genets“
21-23 Rue Sainte Marguerite
F 55110 Dun-sur-Meuse
Telefon: 03 29 83 80 85
www.hotel-le-rale-des-genets.com
E-Mail: hotel.leraledesgenets@orange.fr
Routenplanung und Ansprechpartner für die Roadbooks:
Ad Ketelaars
E-Mail: offroad_trips@hotmail.com