Eine tolle Alternative

Freitag, 26.7.2019 – 5. Tourtag: Der letzte Tag unserer abwechslungsreichen Karawankentour ist angebrochen. Noch einmal frühstücken wir gemeinsam. Eigentlich wollten wir heute zu einer kurzweiligen Entdeckungsreise nach Slowenien aufbrechen. Das Land und die Menschen faszinieren uns, da wollten wir zum Abschluss noch mal einen kurvenreichen Abstecher in den Süden unternehmen. Dummerweise prognostiziert die Wetter-App schwere Gewitter und dauerhaften Regen. Bis zu ersten Kaffeepause könnte es noch einigermaßen trocken bleiben, dann aber soll es Richtung Kamnik fürchterlich nass werden.

Sollen wir es trotzdem wagen? Nicht immer bewahrheiten sich die Vorhersagen. Oder gehen wir lieber auf Nummer sicher? Vorsorglich hatten wir noch eine Alternative nördlich der Karawanken vorbereitet, die sich an den Tourenvorschlägen des Berghof Brunner orientiert. Allerdings führt diese häufig über Bundesstraßen, die wir eigentlich nicht so gerne fahren.

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Nach der dritten Tasse Kaffee entscheide wir uns spontan: wir bleibe in Österreich und lassen uns nicht nass regnen. Das erste Ziel ist das kleine Kaffee am Soboth-Stausee. Der liegt auf der Koralpe, die zur Hälfte im Bundesland Kärnten und zur anderen Hälfte in der Steiermark liegt. Die Koralpe ist ein mächtiger Gebirgszug der Lavanttaler Alpen. In den Jahren 1987 bis 1991 wurde das Pumpspeicherkraftwerk Koralpe gebaut, das vom Soboth-Stausee gespeist wird. Der ist 2,6 Kilometer lang, bis zu 970 Meter breit und bis zu 80 Meter tief. Vom 15. Juni bis 31. Oktober darf sein Wasserspiegel aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht mehr als um einen Meter schwanken. Badegäste finden so auf 1076 Metern Höhe immer ein volles „Schwimmbecken“.

Bis Sankt Oswald ob Eibiswald folgen wir der B 75, dann zweigen wir wieder auf einen verschlungenen Nebenweg ab, der uns über St. Katharine in der Weil und Wernersdorf nach Wies führt. Die kleine Marktgemeinde im Bezirk Deutschlandsberg hat durch den „Schwarzen Sonntag“ traurige Berühmtheit erlangt. Wies war im 19. Jahrhundert ein beliebter Wallfahrtsort. In einer Scheune, zwischen der Bäckerei und der Kirche, übernachteten in der Nacht zum 23. September 1850 rund 200 Pilger. Sie waren dort eingesperrt, damit im nächsten Morgen niemand ohne zu bezahlen verschwinden konnte. Während sie schliefen brach ein Feuer aus. Bis Hilfe kam, starben sechs Menschen den Feuertod, viele weitere wurde verletzt. Insgesamt sollen rund 30 Menschen unmittelbar oder mittelbar durch die Folgen des Brandes ums Leben gekommen sein. Über das schreckliche Ereignis sprach einst die ganze Steiermark. Seither soll ein „schwarzes Manderl“ durch die Räume des Unglücksortes wandeln …

Wir zollen auf den nächsten Kilometern den österreichischen Straßenbau-Ingenieuren allerhöchsten Respekt. Vor allem die Strecke über die Weinebene lässt für kurvenverliebte Motorradfahrer keine Wünsch offen. Da passt einfach alles. Keine Kurve zieht sich zu, jede Kehre ist gut ausgebaut, die Landschaft ein Traum – besser geht es kaum. Wir genießen jeden Kilometer; bis hinauf auf 1668 Meter führt die gleichnamige Pass-Straße, die man sich merken sollte.

Der Name Weinebene leitet sich wohl von „Weinheben“ ab. Bis ins Mittelalter war die Verbindung über den Pass  ein wichtiger Handelsweg, über den Salz aber auch Wein transportiert wurde. Oft durften die Bauern, die Waren nur bis zur jeweiligen Landesgrenze transportieren. Das Verlassen ihrer Grundherrschaft war ihnen verboten. So heißt es in der „Rectifikationsfassung“ der Herrschaft Schwanberg aus dem Jahr 1750, dass an der höchsten Stelle, unweit der „Landesconfinen“ (Landesgrenzen) „… unterschiedlich eigene Heb- und Leg-Stätten errichtet, bis dahin die Steyerischen Fuhrleute, von dort aber die Kärntnerischen die Fuhren versehen haben“. Auch auf der Weineben befand sich eine solche Umladestation zum „Wein-heben“. Irgendwann geriet die alte Bezeichnung in Vergessenheit, daraus wurde im Laufe der Zeit der heute übliche Name Weinebene.

So langsam wird es Zeit für die Mittagsrast. Auch die wollen wir an historischer Stelle einnehmen, dem Gasthof an der Packstraße nahe Twimberg. Doch angeblich sei der Koch ganz plötzlich krank geworden, teilt uns eine sichtlich betrübte Mitarbeiterin mit, kaum dass wir unser Etappenziel erreicht haben.

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Also fahren wir noch ein Stück weiter und finden hoch oben auf dem Wolfsberg ein rustikales Lokal mit sonniger Terrasse. Das erste Glas hausgemachte Zitronenlimonade löscht den größten Durst, drei ordentliche Scheiben Speck mit Brot den Hunger.

Wir genießen die Aussicht, als es plötzlich zu Rumpeln beginnt. Ein Gewitter zieht auf. „Bleibt noch eine halbe Stunde und trinkt einen Kaffee“, meint der Wirt mit Kennerblick. Dann sollte der kurze Schauer durch sein. Recht sollte er behalten.

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Nach der wetterbedingten, länger als geplanten Pause, beschließen wir auf relativ direktem Weg zurück ins Hotel zu fahren. Wobei relativ natürlich relativ ist. Auch bei der Fahrt aufs Geradewohl lassen sich noch viele schöne Nebenwege finden. Nur kein Cafe. Zwei, die auf der Strecke lagen, waren leider geschlossen – ansonsten Fehlanzeige.

In Miklauzhof werden wir schließlich fündig. Allein: von hier aus sind es nur noch gut zehn Kilometer bis zum Hotel. Ich beschließe trotzdem eine Pause zu machen. Es ist gerade einmal halb vier. So früh müssen wir nun wirklich nicht im Berghof Brunner eintreffen.

Ein großer Becher Vanilleeis mit heißen Himbeeren ist genau das Richtige, um der abwechslungsreichen Tour einen würdigen Abschluss zu verleihen. Wir genießen die kühle Erfrischung, die dringend erforderlich war, lassen die vergangenen Tage Revue passieren und fahren nach einer ausgedehnten letzten Pause weiter.

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Eine Stunde später stehen die Suzuki und die G/S wieder im Transporter. Eine tolle Woche geht zu Ende. Die weite Anfahrt nach Bad Eisenkappel hat sich gelohnt. Mehr als 800 Kilometer Strecke sind aus dem Rhein-Main-Gebiet zurück zu legen, doch jeder Kilometer lohnt sich. Rund um den Berghof Brunner finden sich tolle Motorradstrecken, die uns noch lange in Erinnerung bleiben werden.

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Aber auch Andi, der junge Mann, der des abends zum kellnern zu uns kam. Sein altes Zweitakt-Moped klagt über Leistungsverluste. Den steilen Anstieg zum Hotel konnte er immer nur mit Vollgas bewältigen. So wussten wir schon früh, dass er sich vom Tal auf den Weg zu uns gemacht hatte …

Langsam heißt es Abschied nehmen. Die Koffer sind gepackt, die Motorräder verladen. So mancher war mit dem Motorrad auf dem Hänger angereist, um die weite An- und Abreise einigermaßen stressfrei bewältigen zu können. Jetzt steht der „Fuhrpark“ vorm Hotel; die ersten wollen sich schon früh am Morgen auf den Weg nach Hause machen.

Ein herzliches Danke schön an Martina und Markus vom Berghof Brunner. Beide haben sich wirklich fürsorglich um uns gekümmert. Und des morgens verdientermaßen die Ruhe nach unserem Frühstück genossen. In trauter Zweisamkeit standen sie jeden Tag auf der Terrasse, wohl wissend, dass wir am frühen Abend mit viel Hunger und Durst zurückkehren würden. Wir haben uns sehr wohl gefühlt und kommen gerne wieder. Danke 😉

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