Sollen wir oder sollen wir nicht – heute hinauf aufs Timmelsjoch fahren? Das Regenradar meldet für die Mittagszeit schwere Gewitter bei Sterzing, Vom Timmelsjoch kommend, wollen wir noch den Jaufenpass mitnehmen und würden wahrscheinlich genau dann in der nördlichsten Stadt Italiens eintreffen. Regen und kräftige Schauer werden für den Nachmittag auch für Innsbruck vorhergesagt – zu einer Zeit, wo wir auf dem Weg zum Hotel wohl am Bergisel vorbeirollen werden.
Was also tun? Der Vorhersage glauben und eine alternative Route wählen oder mutig sein und darauf vertrauen, dass es meist doch nicht so schlimm kommt, wie angekündigt? Auch wenn die App „Morecast“ fast schon den Weltuntergang für Südtirol meldet.
Jenseits des Brenners soll es den ganzen Tag über hingegen schön und sonnig sein. Rund 300 Kilometer ist die geplante (alternative) Seenrunde lang – also entscheiden wir uns spontan, die Tour hoch zum Timmelsjoch erst einmal zu verschieben. Noch einmal den Ölstand kontrollieren und schon geht es los.
Wir rollen Richtung Fernpass, verzichten aber angesichts des Verkehrs darauf den Holzleitensattel zu überqueren, sondern fahren lieber auf schmalen Nebenwegen unterhalb des Oberen Geierkopf vor prachtvoller Kulisse durch eine herrliche Wald- und Wiesenlandschaft – bis am Gasthaus Arzkasten plötzlich der Asphalt endet und in einen festgefahrenen Waldweg übergeht.
„Wenn’s so bleibt, können wir den ruhig fahren, so die einhellige Meinung: also los 😉
Wenig später schlängeln wir uns durch Telfs und dann die Buchener Höhe hinauf, auf schmalen Straßen, der Leutascher Ache folgend, bis zur Leutaschklamm. Kurz darauf passieren wir die Grenze zu Deutschland und erreichen Mittenwald.
So langsam wird es Zeit für eine Kaffeepause, die wir alsbald in Krün einlegen.
Der Lauf der Isar gibt nun zunächst die Richtung vor. Über die mautpflichtigen Vorderriß-Straße (4 Euro pro Motorrad) fahren wir durchs Karwendel und erreichen schon bald den gewaltigen Sylvensteiner Stausee, den wir auf einer Brücke überqueren.
Auf der „Deutschen Alpenstraße“ gehts dann Richtung Norden, bis kurz vor Wegscheid, wo wir die Richtung wechseln und quasi hinterm Berg wieder nach Westen, zum Walchensee fahren. Die malerische Straße dorthin, haben wir ganz für und allein.
Wieder halten wir an einer Mautstation, wird doch auch für das Befahren der Straße, die südwestlich um den Walchensee führt, eine Gebühr verlangt.
Die Sonne lacht vom Himmel, das Wasser hat ein ganz eigenes blau – ein Fotostopp ist da obligatorisch.
Wenig später sitzen wir auf der Sonnenterrasse des Hotels „Zur Post“, genießen die Aussicht auf den See und stillen unseren Hunger mit bayerischen Weisswürsten. Die werden uns, obwohl 12 Uhr schon lange vorbei ist, mit leisem Protest aus der Küche, doch noch serviert.
Satt und zufrieden setzen wir uns wieder auf die Motorräder, fahren weiter rund um den See und erreichen über die alte Bergrennstrecke am Kesselberg, den Kochelsee. In Murnau angekommen setzen wir den Blinker links und können den Froschhauser See, den Riegsee und den Staffelsee rechter Hand nur erahnen, verstecken sich diese doch hinter dichtem Grün.
Oberammergau umfahren wir auf Schleichwegen und erleben bei Eschenlohe eine Überraschung: Wir dürfen nicht auf die B2 abbiegen, ist diese doch für Motorradfahrer gesperrt. Was tun? Wenn wir durch Eschenlohe selbst fahren, kommen wir nach gut einem Kilometer wieder auf die B2 – schauen wir doch mal, ob diese Zufahrt auch gesperrt ist. Ist sie nicht!
Im Internet lese ich am Abend, dass die Bundesstraße bei Eschenlohe wohl durch zwei Tunnel führt. Und dass von der Decke irgendetwas tropfe, was den Asphalt rutschig macht. Weil Motorradfahrer deshalb schon stürzten, wurde der Tunnel nicht saniert sondern einfach gesperrt. Zur Not, könnte man auch über die Autobahn ausweichen …
Wenig später geht es den Ettaler Sattel hinauf, vorbei am Kloster Ettal und dann durch den Ammerwald, über den Ammersattel, zum Plansee. Ein geniales Stück Straße. Eine Baustellenampel reißt die Gruppe kurz auseinander, nach einem kurzen Stopp können wir jedoch zusammen weiterfahren.
Kilometer lang reiht sich eine Kurve an die nächste, wir finden unser Tempo und könnten noch stundenlang so weiterfahren. Irgendwann erreichen wir dann den Nordzipfel des Plansees und legen vor malerischer Kulisse eine Kaffeepause ein.
Jetzt müssen wir nur noch einmal durch Reutte und dann übers Hahntennjoch. Auch das haben wir am späten Dienstagnachmittag ganz für uns alleine. Kurz vor dem Hotel wird noch mal getankt, gut 300 Kilometer sind wieder mal zusammen gekommen.
Im Hotel gibt es heute Abend Buffet. Das wird bereits um 18:30 Uhr eröffnet – da gehen wir gerade duschen. Die Seniorengruppe aber, die ebenfalls im „Lamm“ übernachtet, macht sich bereits startklar …
Für uns ist noch genug übrig geblieben. Alle sind satt geworden. Auch Charly, der – nachdem wir der Kellnerin sein Leid geklagt hatten, heute vielleicht ohne Nachtisch zu Bett gehen zu müssen – gleich drei frittierte Apfelringe bekam. Wir anderen hatten jeweils nur einen. So ist (ißt) das Leben …