Donnerstag, 18.6.2020 – 3. Tourtag: Heute sollen die Seen nordwestlich von Salzburg das Ziel unserer kurzweiligen Tagestour sein. Der Wolfgangsee und der Hallstätter See dürften dabei die bekanntesten sein. Der Mondsee und der Fuschlsee sind hingegen weitgehend unbekannte Highlights.
Doch ist es wirklich eine so gute Idee, heute östlich von Salzburg Motorrad zu fahren? Diese bange Frage stand im Raum, nachdem so mancher beim Frühstück auf „seine“ Wetter-App geschaut hatte. Während die Vorschau auf „meinem“ RegenRadar gar nicht so schlecht ausschaute, wurde bei dem einen oder anderen Teilnehmer Weltuntergang nördlich des Alpenhauptkamms prognostiziert. Unerschrocken machten wir uns gleichwohl auf den Weg ins „Land der Barbaren“.
Bis Radstadt hingen die Wolkenfetzen noch tief in den Bergen. In Altenmark im Pongau durften wir auf keinen Fall den Abzweig auf die B99 verpassen, andernfalls würden wir unweigerlich auf der Autobahn landen – das wäre schlecht, denn die meisten hatten keine Vignette am Motorrad.
Bald darauf ragt links der Straße das Tennegebirge imposant in den Himmel; in Lungötz erreichen wir das Lammertal. Dem munter vor sich hin plätschernden Fluß folgen wir bis Pichl. Der Abzweig zur „Pichlhöhe“ liegt reichlich versteckt. Zunächst gilt es sich Richtung „Postalm“ zu orientieren, um gleich danach scharf links auf ein schmales Strässchen abzubiegen.
Auf schmaler Trasse fahren wir durch den Finsterstubenwald zum 884 Meter hohen Schönleitensattel. Ein herrliches kleines Sträßchen, so ganz nach meinem Geschmack, das nahe Sankt Koloman auf die L210 trifft. Jetzt ist es nicht mehr weit zur Grundbichlalm; hier wollen wir die heutige, vormittägliche Kaffeepause einlegen.
Der schmale Weg folgt zunächst im Tal dem Lauf der/des Taugl. Über eine Handvoll Serpentinen gewinnen wir anschließend rasch an Höhe und stehen plötzlich und unvermutet vor der Grundbichlalm. Die liegt malerisch auf einem kleinen Plateau und entpuppt sich als Kleinod, wie es schöner kaum sein könnte.
„Ich habe leckeren Marillenkuchen da und könnte Euch auch ein paar frische Krapfen backen“, erklärt Gertraut Schnöll mit einem freundlichen Lächeln, während wir uns auf der Terrasse niederlassen. Da können wir nicht nein sagen, zumal das Frühstück schon gut zweieinhalb Stunden zurückliegt …
Schnell kommen wir ins plaudern, erfahren, dass die Alm das ganze Jahr über bewirtschaftet ist und die Winter eine ganz besondere Herausforderung sein können. „Vor zwei Jahren lag der Schnee bis zum ersten Stock, da musste ich die Bergretter rufen, die auf Skiern kamen, um das Dach freizuräumen. In der Nacht ist dann der Strom ausgefallen und mein Handy ging nicht mehr – das war schon nicht mehr lustig. Aber wir habe auch das geschafft“, sagt Gertraut und verschwindet schon wieder in der Küche, um den nächsten Krapfen „zu backen“.
Wir müssen weiter, obwohl wir eigentlich den ganzen Tag auf der Grundbichlalm verbringen könnten. Über den 922 Meter hohen Krispl geht es – vorbei am Wiestalstausee – durch die beeindruckende Strubklamm.
Der Almbach hat sich hier einen imposanten Weg durch eine mächtige Felsenge gegraben. Ganz in der Nähe verläuft der „Metzgersteig“, über den einst das Schlachtvieh von Hintersee-Faistenau nach Hallein getrieben wurde. Er erinnert an eine schaurige Geschichte, die sich im Sommer 1673 zugetragen haben soll.
Ein Metzger und seine schwangere Geliebte waren auf dem Weg zur Wallfahrtskirche zum Heiligen Wolfgang. In der abgelegenen Klamm nutze der Metzger die Gelegenheit, die Frau loszuwerden und stieß sie heimtückisch in die Tiefe. Die junge Frau konnte sich jedoch an Büschen festhalten und bat ihren Begleiter – mit dem Versprechen, Niemandem etwas von seiner Tat zu erzählen – ihr zu helfen. Der aber schnitt kaltblütig die rettenden Zweige ab, so dass sie in den Tod stürzte. Als der junge Metzger wenig später allein die Wallfahrtskirche betrat, soll ihm das Bild seiner Freundin hinter dem Altar erschienen sein, worauf er die Tat gestand und um Bestrafung bat.
Auf den Hintersee können wir im vorbeifahren nur einen kurzen Blick erhaschen, am Fuschlsee werfen wir einen „Erkundungsblick“ auf das Hotel „Stefanihof“, könnten wir uns doch vorstellen, von hier aus im nächsten Jahr mal eine entspannte Motorradtour zu unternehmen. Der „schwachen Blase“ eines Teilnehmers haben wir einen herrlichen Blick auf den Wolfgangsee zu verdanken. Den „Zwangsstopp“ nutzen für für eine kurze Fotopause.
Am malerischen Krotensee huschen wir geradeso vorbei und erreichen die Scharflinger Höhe. Kurz darauf fahren wir direkt auf den Mondsee zu. Der war ursprünglich nach dem alten Adelsgeschlecht „Mannsee“ benannt. Der Sage nach soll einst der Herzog Odilo von Bayern nachts entlang der Drachenwand geritten sein. Der Mond, der sich im See spiegelte, soll verhindert haben, dass er dabei unvermutet in die Tiefe stürzte.
Wir halten uns rechts und fahren durch den Tunnel der Kienbergwand. Immer wieder war es auf der malerischen Panoramastraße zu Steinschlägen und Felsstürzen gekommen, so dass ein gut 1.000 Meter langes Stück zum Schutz eingehaust wurde. Auf der Grenze zwischen Oberösterreich und Salzburg fahrend, erreichen wir bald darauf den östlichen Zipfel des Mondsees, der See selbst befindet sich seit dem 18. Jahrhundert in Privatbesitz. Ein ungewöhnlicher Umstand. Der Wert wird auf 16 Millionen Euro geschätzt; ein Verkauf an die Österreichischen Bundesforsten scheiterte bisher an unterschiedlichen Preisvorstellungen.
Unsere Mittagsrast legen wir im „Gasthaus“ See ein. Vom Mondsee selbst ist nur wenig zu sehen. Büsche und Bäume versperren den Blick. Das Betreten des Ufers ist verboten. Die Wiese ist Privateigentum, abgezäunt und nur gegen Entgelt zu betreten. „Badegäste und Sonnenanbeter nutzen die Gelegenheit“, erklärt uns die Bedienung. Ein paar Schnappschüsse gelingen trotzdem.
Wir studieren die Speisekarte und finden schnell ein paar leckere Gerichte. Unter großen Sonnenschirmen sitzend, genießen wir die ausgiebige Pause bei angenehmen Temperaturen. Kein Wort mehr von den ausgiebigen Regenschauern, die heute morgen noch prognostiziert wurden. Wir haben es wieder einmal gut getroffen.
Auf breiter Bundesstraße fahren wir weiter zum Attersee, um hinter Weißenbach zum Weißenbacher Sattel abzubiegen. Im „Josephinischen Lagebuch“ – einem im 18. Jahrhundert von den Hamburgern angelegten Steuerkataster – wird die heutige B153 als einzige gut ausgebaute Straße am südlichen Attersee beschrieben. Über sie wurden nicht nur die Salztransporte aus Hallein befördert, auch der Kaiser und seine Gäste nutzen diese Verbindung regelmäßig auf dem Weg nach Ischl. Das trug ihr den Spitzname „Hofjagd-Landstraße“ ein.
In Bad Isch geht es, vorbei am Predigstuhl, zum 993 Meter hohen Koppenpass. Dass wir nun auf Bundesstraßen unterwegs sind, macht sich an den vielen Autos, Bussen und Lastwagen vor uns bemerkbar. Aufgrund der zahlreichen Geschwindigkeitsbegrenzungen und Überholverbote schwimmen wir im Verkehr mit und ertragen so unser Schicksal tapfer bis kurz hinter der kleinen Ortschaft Sankt Agatha im Hausruckviertel. Von hier stammt Stefan Fadinger, der 1626 den Oberösterreichischen Bauernkrieg anführte. Die Menschen wollten nicht katholisch werden. Deshalb sollte Oberösterreich von den Bayern befreit und dem habsburgischen Kaiser zurückgegeben werden. Fadinger, der dem Aberglauben anhing, ein „Gefrorener“ und damit unverwundbar zu sein, wurde Ende Juni von Scharfschützen getroffen und starb wenig später an einer Blutvergiftung. Ihm ist im neuen Gemeindezentrum ein Museum gewidmet.
Die B145 – auch als Salzkammergut-Straße bekannt – führt uns gut ausgebaut zum Koppenpass hinauf. Obwohl als Durchgangsstraße deklariert, haben wir freie Fahrt; den einzigen Lastwagen vor uns können wir bereits vor der ersten Kehre überholen. Auf den möglichen, mautpflichtigen Abstecher zum „Loser“ mit Blick auf den Altausee verzichten wir anschließend und halten uns in Bad Aussee rechts.
Die schmale Landstraße folgt – eingezwängt zwischen dem Niederen Sarstein und dem Gräbkogel zur Rechten sowie dem Zinken und Dirndl zu Linken – kurvenreich dem Flüsschen Koppentraun. Dann stürzt sich der 691 Meter hohe Talpass mit rund 23 Prozent Gefälle gen Obertraun; ein herrliches Stück Straße.
Am Südufer des Hallstätter Sees finden wir einen kleinen Parkplatz, der Gelegenheit für einen Fotostopp bietet. Kurz bevor wir in den schon 1966 fertig gestellten Tunnel einfahren, der Hallstatt vom Durchgangs- und Parkplatzsuchverkehr entlastet, kommen uns erstmals auf dieser Reise Scharen von Touristen entgegen, die zurück zu ihren Autos laufen. Wie voll mag es hier vor Corona gewesen sein?
Kurz hinter dem Abzweig nach Gosau stoppt uns eine mobile Baustelle. Arbeiter sind mit der Sicherung eines Hangs beschäftigt. Wir nutzen die Gelegenheit und ziehen langsam an der Autokolonne vorbei, bis zum Mann an der Kelle. Die „Pole“ verschafft uns die Möglichkeit „autofrei“ zum letzten Etappenziel des heutigen Tages fahren zu können: dem Gosausee.
Dazu biegen wir in Gosau ins Gosautal ab und blicken auf den mächtigen Mandelkogel und die Bischofsmütze direkt vor uns. Es ist schon ein erhebendes Gefühl, auf eine so mächtige Gebirgswand zuzufahren, die den Eindruck vermittelt, dass sich hinter ihr das Ende der Welt befindet.
Die kurvenreiche Straße endet direkt am Gasthaus Gosausee. Schnell ist ein Parkplatz für die Motorräder gefunden und ein langer Tisch zusammengerückt. Da sitzen wir nun und genießen den Blick auf den malerischen Gosausee und die „Rückseite“ des Dachsteinmassivs. Zeit für ein Eis oder einen leckeren Strudel – auch wenn uns die Bedienung ein wenig überfordert, um nicht zu sagen unmotiviert erscheint.
Gut 80 Kilometer noch und wir sind zurück im Hotel. Die spannende Frage ist: reicht der Sprit noch? Zumindest die Restweitenanzeige einer K lässt daran Zweifel aufkommen. Die hat sich aber gestern schon als zu pessimistisch erwiesen. „Bis Radstadt sind es noch 60 Kilometer, das sollten wir schaffen, ansonsten zapfen wir ein paar Liter von meiner G/S ab“, meine ich.
Über den unscheinbaren Pass Gschütt treten wir die Rückreise an, fahren durchs Lammertal und vorbei am Tennegebirge – wie heute morgen, jetzt nur in entgegengesetzter Richtung. In Radstadt machen wir die Tanks voll und prüfen den Luftdruck, dann geht es ein letztes Mal bergan.
Gut 20 Minuten dauert der Spaß, dann rollen die Motorräder in der Tiefgarage des Hotels Solaria aus. Ein erlebnisreicher Tag liegt hinter uns. Jetzt freuen wir uns auf ein kühles Bier, eine heiße Dusche und ein leckeres Abendessen – in genau dieser Reihenfolge. Heute gibt es Mexikanische Maiscremesuppe, Jägerschnitzel mit Bratkartoffeln und Broccoli und zum Abschluss eine leckere Kokoscreme-Schnitte mit Karamellsauce.
Vom der Grundbichlalm zum Gosause, das war – mit ein paar Schlenkern – der Routenverlauf, wie Du ihn auf der Karte sehen kannst.
Den Routenverlauf, zusammen mit ein paar Fotos, haben wir wieder in einem Reliefe-Video zusammengefasst. Die gefahrene Strecke siehst Du hier:
Morgen geht’s zur Nockalm. Hoffentlich bleiben auch am letzten Tourtag die Straßen trocken.
Übernachtung:
Hotel Solaria
Ringstraße 6
A 5562 Obertauern
Tel.: +43 6456 72500
Mail: info@hotel-solaria.at
Web: http://www.hotel.solaria.at
Kaffeepause (vormittags):
Grundbichlalm
Grundbichlweg 41
A 5423 St. Koloman
Tel.: +43 664 5415267
Mittagessen:
Gasthaus See
Am Mondsee 1
A 4866 Unterach am Attersee
Tel.: +43 7665 20569
E-Mail: info@gasthof-see.at
Web: http://www.gasthof-see.at
Kaffeepause (nachmittags):
Gasthaus Gosausee
Gosauseestr. 152
A 4824 Gosau
Tel.: +43 6136 8514
E-Mail: office@gasthof gosausee.at
Web: http://www.gasthof-gosausee.at