Zum Schluß: die Nockberge

Freitag, 19.6.2020 – 4. Tourtag: Die Gamsleitenspitze ist kaum zu sehen. Dunkle Wolken hängen in den Bergen und vom Nordwesten zieht ein weiteres Tief heran. Wie gut, dass wir am letzten Tourtag gen Süden fahren wollen: heute steht unter anderem die Nockalmstraße auf dem Programm. Vorsorglich wirft der eine oder andere doch die Regenkombi über, sieht das Wetter in unserer Richtung nicht gerade vertrauenserweckend aus. 

Wir stürzen uns über die B99 talwärts, halten uns in Mauterndorf gen Katschberg und legen nahe Schloss Moosham bereits den ersten Stopp ein: die Regenkombis können ausgezogen werden, vor uns tauchen am Himmel die ersten vielversprechenden blauen Flecken auf. 

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Kurzer Stopp: raus aus den Regenkombis

Schloss Moosham liegt auf einem felsigen Hügel, hoch oben über einem einst sumpfigen Moor. Daher leitet sich auch der Name ab: Moos gleich Moor. In der Chronik heißt es: „Im dumpfigen, düsteren Schweigen versunken, ruht das Moor, unergründlich und geheimnisvoll, sucht den des Weges unkundigen Wanderer an sich zu locken…… Manchmal hallt dumpfes, ferntönendes Glockengeläute, aus der tiefe des Moores heraufdringend, an das dahineilenden Wanderers Ohr. Es kommt von der versunkenen Stadt die dort unten begraben liegt“. Irgendwie gespenstisch …

RE Camera

Blick auf Schloss Moosham

In jüngster Zeit diente der prächtige Bau, der über eine lange Geschichte verfügt, als Kulisse für Filme wie „Die Schöne und das Biest“, „Das Vermächtnis der Wanderhure“ oder der Neuverfilmung von „Dornröschen“.

Über den Schönfeldsattel geht es kurvenreich vom Salzburger Bundschuh zur Kärntner Krems. Bis hinauf auf 1740 Meter windet sich das schmale Strässchen, mit Steigungen von bis zu 14 Prozent, und führt dabei – vorbei an einem alten Hochofen – durch eine malerische Landschaft, mit oftmals freilaufenden Kühen. 

Der Abzweig zur mautpflichtigen Nockalmstraße ist schnell erreicht. 13 Euro kostet die 34 kilometerlange Etappe, gut 38 Cent pro Kilometer. Wir haben uns im Hotel Solaria ermäßigte Tickets gekauft, so dass wir „nur“ 9,75 Euro bezahlen – das wären dann rund 29 Cent pro Kilometer.

52 Kehren und zahlreiche Kurven warten auf uns; die Eisentalhöhe stellt mit 2042 Metern den höchsten anfahrbaren Punkt auf der Strecke dar. Die haben wir an diesem Morgen ganz für uns allein: nicht ein Auto, einen Bus oder andere Motorradfahrer müssen/können wir überholen. Corona lässt grüßen.

Anders als in den Alpen sind die Gipfel der Berge im Gurktal nicht steil und schroff sondern eher abgerundet – wie „Nocken“, daher der Name. Dass wir diese einzigartige Kulturlandschaft heute noch so genießen können, wie sie vor Jahrmillionen entstanden ist, verdanken wir dem Votum der Kärntner. Die sprachen sich 1980 in einer Volksbefragung eindeutig dagegen aus, die Nockalm in ein riesiges Skigebiet zu verwandeln. Heute ist die Region als Biosphärenpark der UNESCO ausgezeichnet. 

Von der Eisentalhöhe führt uns der Weg zunächst vorbei an Karlsbad, das versteckt in einer Rechtskehre liegt. Hier befindet sich ein mehr als 300 Jahre altes Bauernbad; das letzte seiner Art in den Ostalpen. Das Besondere: Das Quellwasser der Karlquelle wird in Lärchenholztröge geleitet und mit glühenden Steinen auf rund 40 Grad Celsius erhitzt. Die Wannen werden anschließend mit Brettern abgedeckt, so dass nur noch der Kopf der „Kurgäste“ herausschaut. Irgendwann werde ich mir das auch mal antun …

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An der Glockenhütte, auf der 2025 Meter hoch gelegenen Schiestelscharte, legen wir unseren ersten Kaffeestopp ein. Etwas oberhalb steht die „Wunschglocke“, von der aus sich eine prächtige Aussicht auf die Nockberge bietet.

Einst sollen hier oben die Hexen das Wetter gebraut haben. Sie schickten heftige Hagelschauer in die Täler, die oft ganze Ernten vernichteten. Bis eine Sennerin nach dem Almabtrieb der Leitkuh die Glocke abnahm, sie in zwei Heiligen Messen segnen ließ und beim nächsten Almauftrieb an der Schiestelscharte mit Schuhriemen an einem Zaun befestigte. Fortan waren die Hexen vertrieben. Heute hängt hier eine „Wunschglocke“, die läuten kann, wer auf die Erfüllung Unerfülltem hofft …

Vorbei am malerischen Windebensee erreichen wir die Ebene Reichenau und fahren auf kurvenreicher Strecke zum Hochrindl und weiter nach Deutsch-Griffen. Über die Flattnitzer Höhe geht es weiter zum Grattinger Sattel, der zu Befahren sich als Genuss herausstellt. In Murau, mit imposantem Schloss und eindrucksvoller Stadtkirche, halten wir uns links und fahren über die Frauenalpe direkt zur Murauer Hütte, die sich am Ende des asphaltierten Weges befindet. 

Mit einem herzlichen „Griass Eich“ begrüßt uns Eddy, der – zusammen mit seiner Frau Elisabeth – die Hütte seit 2013 bewirtschaftet und das hoffentlich noch lange tun wird. Wir nehmen auf der Terrasse an langen Holztischen Platz und schauen, was die Küche so zu bieten hat: lauter Leckereien. 

Wir genießen das Mittagessen bei Sonnenschein, während sich in unserem Rücken dunkle Wolken zusammenbrauen. Eigentlich wollten wir über den 1797 Meter hohen Sölkpass zurück nach Obertauern fahren und so das Tauernmassiv einmal umrunden. Doch auf der anderen Seite des Berges scheint das schlechte Wetter zu hängen. Also lieber schnell einen „Plan B“ aus der Tasche zaubern?

„Wir können auch vorbei an der Stolzalpe Richtung Schröder fahren und auf schmalen Wirtschaftswegen über die Krakauebene zum Prebersee. Da gibt es eine nette Almhütte, in der wir noch mal Kaffeetrinken können“, schlage ich vor. So würden wir auf der Südseite bleiben und vermutlich nicht nass werden. Das „Problem“: diese Strecke ist gut 50 Kilometer kürzer;  damit wären wir schon gegen 17 Uhr im Hotel Solaria und nicht erst gegen sechs. So machen wir es am Ende auch, doch vorher ergibt sich noch ein kurzweiliges Zwiegespräch – in das ich schon mal ein paar Bilder zur Auflockerung des Textes einstreue 😉

„Wir könnten doch … sieht doch garnicht so schlimm aus … wir sind doch zum Motorradfahren da … können wir nicht immer noch umdrehen, wenns anfängt zu regnen“ – vor allem ein Teilnehmer tut sich mit der Planänderung schwer. Zu früh im Hotel sein, das geht offensichtlich gar nicht. Bis ich ihn an ein schon lange zurückliegendes Erlebnis aufmerksam mache:

„Erinnerst Du Dich noch an unsere Tour nach Wales, als wir für ein Foto am Bahnhof des Ortes mit dem längsten Namen der Welt angehalten haben: Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch“, frage ich? Da wollten wir anschließend noch einen Abstecher nach Snowdonia unternehmen. Weil in den Bergen aber dunkle Wolken hingen – und es dort absehbar regnen würde – bin ich mit meiner Gruppe direkt ins Hotel gefahren, während die Gruppe, in der Du mitgefahren bist, nicht zuletzt auf Dein Drängen hin, noch einen Abstecher zu der spektakulären Bergkette unternommen hat. Schlußendlich saßen wir, nach einer heißen Dusche, in gemütlichen Ohrensesseln in der Hotellounge und genossen zur Tea Time am offenen Kamin einen Becher heißen Kakao und leckere Scones (Milchbrötchen mit „Clotted Cream“ und Marmelade), während ihr verfroren, fluchend und völlig durchnässt zurück ins Hotel kamt.  

Überzeugt: auf zur Ludlalm am Prebersee. Einst wurde hier, am Bischofsloch, nach Gold geschürft. Der geheimnisvolle Prebersee liegt auf 1514 Metern Seehöhe, inmitten eines großen Moores. Seit 1834 findet alljährlich das Preberseeschießen statt. Das Besondere daran: gezielt wird nicht direkt auf die Scheibe; geschossen wird aufs Wasser, von dessen Oberfläche die Kugel dann auf die Zielscheibe abprallt. Angeblich soll ein Jäger einst auf eine Ente gezielt, aber das Wasser getroffen haben und von dem „Abpraller“ so fasziniert gewesen sein, dass sich daraus letztlich ein Wettkampf entwickelte.

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Wir genießen bei herrlichem Sonnenschein die letzte Pause unserer Tour, essen noch ein Eis oder einen Topfenstrudel und machen uns – nach einem letzten Tankstopp – über Tamsweg zurück auf den Weg nach Obertauern.

Oben am Berg hängen die Wolken wieder tief. Hotelgäste, die im Norden des Tauernmassivs Motorrad gefahren sind, berichten uns von andauerndem „Mistwetter“. Es hätte dem ganzen Tag nur geregnet. Wir hingegen sind trocken geblieben …

Beim Abendessen – es gibt Rinderkraftbrühe mit Kaspressknödel, danach unter anderem Gnocchi mit Lauch, Pilzen und Rahmsauce sowie einen Nougatknödel an Beerenragout zum Nachtisch – lassen wir die abwechslungsreiche Woche noch mal Revue passieren.

Eigentlich wären wir Mitte Juni nach Südschweden gefahren, hatten dann als Alternative die mecklenburgische Seenplatte in Erwägung gezogen und haben uns letztlich spontan für Obertauern entschieden, nachdem die Grenzen zu Österreich zum 15. Juni wieder geöffnet wurde. Fahrerisch war das sicher die beste Entscheidung.

Morgen geht es wieder nach Hause. Ich werde mir den Wecker für 5 Uhr stellen, um an der Grenze am Walserberg nicht im Stau stehen zu müssen. Hier kontrolliert die deutsche Polizei ja immer noch …

Ilona hat mir schon eine Kanne Kaffee gekocht und ein kleines Lunchpaket zubereitet. Vielen lieben Dank dafür. Wir kommen gerne wieder.

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Den aktuellen Streckenverlauf des heutigen Tages zeigt Dir die Route auf der Landkarte:

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Den Routenverlauf, zusammen mit ein paar Fotos, haben wir wieder in einem Reliefe-Video zusammengefasst. Die gefahrene Strecke siehst Du hier:

 


 

Übernachtung:
Hotel Solaria
Ringstraße 6
A 5562 Obertauern

Tel.: +43 6456 72500
Mail: info@hotel-solaria.at
Web: http://www.hotel.solaria.at

 

Kaffeepause (vormittags):
Glockenhütte
Nockalmstraße
A 9565 Ebene Reichenau

Tel.: +43 4279 7213
Mail: office@glockenhuette.com
Web: http://www.glockenhuette.com

 

Mittagessen:
Marauer Hütte
Frauenalpe 45
A 8850 Laßnitz-Murau

Tel.: +43 664 5120892
E-Mail: murauerhuette@oeav.at
Web: http://www.murauerhuette.at

 

Kaffeepause (nachmittags):
Ludlalm
Prebersee
A 5580 Tamsweg

Tel.: +43 6474 7552
E-Mail: servus@ludlalm.at
Web: http://www.ludlalm.at

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