Meine „Dienstreise“ neigt sich dem Ende zu. Heute geht es mit dem Motorrad zurück an den Genfer See, morgen mit dem Ducato dann nach Hause. Gegen halb acht gehe ich zum Frühstück. Den entsprechenden Voucher habe ich nicht gebraucht, es gab auch so Kaffee, Baguette, Croissants, Wurst, Käse, Joghurt, Milch … was man so braucht, damit der Tag gut anfängt.
Bislang gab es das Frühstück auch ohne Voucher …
Mein erstes Ziel ist der Col de Lautaret (2058 Meter), von dem aus es direkt hoch auf den Galibier (2618 Meter) geht. Obwohl auf mehr als 2000 Meter gelegen, gilt der Lautaret doch als der niedrigste Übergang von den nördlichen in südlichen Alpen (oder umgekehrt). Das faszinierende ist immer wieder der Blick auf den Combeynot, an dessen Berghang sich ein großes Gletscherfeld befindet.
Nach einem kurzen Fotostopp nehme ich den Galibier „in Angriff“, den höchsten Pass des heutigen Tages. Ich bin fast allein unterwegs, als ich dem Gipfel entgegen fahre. Nur eine Gruppe Schweizer Motorradfahrer überholt mich (im Tiefflug) auf dem Weg dorthin.
Heute will ich es mal gemütlich angehen. Also verzichte ich auf die Schleife über den eigentlichen Col und nehme den kurzen Tunnel – eine Premiere. Am Nordportal stoppe ich kurz, um ein paar Fotos zu machen und stelle fest, dass das Wasser in den Pfützen am Straßenrand bereits gefroren ist. Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis über den Pass eine Wintersperre verhängt werden wird.
Die Wasserpfütze am Nordportal des Galibier ist schon gefroren.
Auf dem Weg nach Saint-Michel-de-Maurienne kann ich mich garnicht satt sehen, an der faszinierenden Landschaft.
Auf halber Strecke kreuzt eine Schafherde meinen Weg, die auf die andere Seite des Hangs will. Ein paar Ziegen und Esel sind auch dabei. Ich liebe diese Begegnungen die oft rein zufällig sind – aber immer doch etwas Besonderes.
Wenig später halte ich hinter Valloire, um zuzusehen, wie eine große Schafherde in einen Lastwagen verladen wird. Ein mühsames und schweißtreibendes Unterfangen.
Dann geht es weiter zum Col du telegraphe (1566), der seinen Namen von dem gleichnamigen Fort ableitet, das ganz in der Nähe, hoch oben in den Bergen steht. Da die Tour de France oft über den Pass führt, erinnert ein großes Foto daran, wie es hier in den Anfängen ausgesehen hat. Da war die Straße noch unbefestigt.
In Saint-Jean-de-Maurienne halte ich mich rechts und fahre auf der D74 Richtung Montvenier. Eigentlich wollte ich die spektakuläre Höhenstraße unter die Räder nehmen, die sich in vielen engen, teilweise gemauerten Kehren den steilen Berg hinunter windet. Aber das Wetter lädt zu einem solchen Abstecher nicht unbedingt ein. Der Himmel zieht sich immer mehr zu, es wird windig und kalt.
In vielen engen (gemauerten) Kehren ginge es den Berg hinauf – oder hinunter.
Bald darauf stehe ich am Abzweig zum Col de la Madelaine (2001 Meter). Was ich sehe, ist nicht wirklich einladend. Ein dichtes Regenband scheint sich über den Pass zu schieben. Mein Bordthermometer zeigt mir acht Grad an, ich befinde mich auf gut 500 Metern Höhe. Welche Temperaturen werden mich in 2000 Metern Höhe erwarten?
Ich entscheide mich für Plan B und bleibe erst einmal auf der D76. Die führt zwar relativ langweilig einfach nur geradeaus, aber ich bleibe (erst einmal) trocken. Doch kurz vor Aiguebelle fängt es leicht an zu nieseln. Nicht sehr stark, aber doch so viel, dass ich erst einmal beschließe eine Pause zu machen. Schon oft haben wir bei unseren Touren Regenschauer einfach „ausgesessen“. Das wird auch heute hoffentlich funktionieren.
Keine schönen Aussichten – glücklicherweise blieb der Regen in den Bergen hängen
Das Hotel „Le Relais des Postes“ kommt mir gerade recht. Hier werde ich eine spontane Mittagsrast einlegen, wird als Spezialität des Hauses doch Pizza angeboten, die über dem Holzfeuer zubereitet wird. Nach ausgiebigem Studium der Karte entscheide ich mich für die Pizza Savoi, die mit würzigem Reblochon-Käse, Zwiebeln, Speck und klein gewürfelten Kartoffeln belegt ist. Ein Genuss.
Spontane Mittagspause: Pizza mit würzigem Reblochon-Käse, Zwiebeln, Speck und klein gewürfelten Kartoffeln
Nachdem die Passanten draußen auf der Straße ihre Regenschirme wieder eingeklappt gaben, beschließe ich weiterzufahren und überlasse die Routenführung ausnahmsweise meinem Navi. „Kurvenreiche Straßen bevorzugen“ und „Autobahn ausschließen“ sind die Parameter – mal sehen ob ich mich mit der vorgeschlagenen Strecke anfreunden kann oder wieder meiner eigenen Wege fahre.
Der Einstieg ist schon vielversprechend. Bei Saint-Pierre-d’Albigny geht es kurvenreich den Berg hinauf; in einer Kehre bietet sich eine prachtvolle Aussicht hinunter ins Tal.
Prächtige Aussichten nach einem kurzen Regenschauer
Über den Col du Frene (950 Meter) geht es weiter Richtung Bellecombe-en-Bauges. Eine Herde Kühe trottet gemächlich neben der Straße Richtung Stall – sieht lustig aus.
Der Col de Leschaux (950 Meter) ist der letzte Pass, den ich bei dieser Reise unter die Räder nehme. Glücklicherweise habe ich mich – anders als geplant – links des Sees von Annecy gehalten. Als ich bei Saint Jorioz kurz halte, um einen Blick auf den sechsgrößten See Frankreichs zu werfen, sehe ich auf der anderen Uferseite dunkle Regenwolken. Glück gehabt.
Bald darauf ist Annecy erreicht, das Venedig der Alpen. Bisher haben wir – vorwiegend wegen des Verkehrs – einen weiten Bogen um die Stadt gemacht, heute fahre ich mitten durch und bin überrascht, wie schön die Stadt doch ist.
Noch gut 20 Kilometer und ich bin wieder im Hotel. Vorher muss ich aber unbedingt noch einen Stopp in der Metzgerei von Allonzier-la-Caille einlegen. Die französische Salami ist ein Genuss und so will ich eine kleine Auswahl mit nach Hause nehmen. Schon beeindruckend, was hier an der Theke und in Kühlschränken so alles angeboten wird …
Kurz nach 17 Uhr steht die G/S wieder im Ducato. Die Kombi hängt über der Sitzbank, Helm und Stiefel sind gut verstaut. Ich schlüpfe in Jeans und Schuhe und stelle wehmütig fest, dass diese wunderbare Tour nun zu Ende ist. Könnte ich – in ähnlicher Form, mit einem anderen Ziel – im nächsten Jahr glatt wiederholen … Wer wäre mit dabei?
Feierabend – morgen gehts auf vier Rädern nach Hause
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Wir haben diese Etappe in einem kleinen Relive-Video festgehalten, damit Du den Streckenverlauf nachverfolgen kannst.
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