Nach Okzitanien – zum Cirque de Navacelles

Mittwoch, 11.9.2019 / Cevennen – Vierter Tourtag: Heute haben wir Großes vor. Wir fahren in den Süden, bis nach Okzitatien, um einen beeindruckenden Blick in den „Cirque de Navacelles“ werfen zu können. Rund 400 Meter tief hat sich hier das kleine Flüsschen Vis in den Karst gegraben und ein grandioses Naturschauspiel geschaffen. Gut 340 Kilometer Wegstrecke liegen vor uns, da werden wir wohl erst deutlich nach 18 Uhr wieder im Hotel sein.

Auch wenn der Himmel am Morgen etwas verhangen ist, weiß der Sonnenaufgang doch – oder gerade deswegen – zu beeindrucken.

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Nach dem Frühstück herrscht das übliche geschäftige Treiben. Die Motorräder werden aus der „Garage“ gerollt, noch mal der Ölstand kontrolliert oder untereinander Erfahrungen ausgetauscht. Alles ganz entspannt …

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Um 9 Uhr machen wir uns auf den Weg. Ein schmales Sträßchen windet sich „aus den Bergen“ hinunter zu den Schluchten des Tarn. Bei Sainte-Enimie legen wir einen kurzen Fotostopp ein. Das gerade einmal 525 Einwohner zählende Dorf zählt zu den „Plus beaux villages de France“, den schönsten Dörfern Frankreichs.

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Wir schrauben uns die nächste Hochebene hinauf und sind verwundet, dass uns auf der schmalen und recht kurvenreichen Trasse immer wieder schwere Lastwagen, zum Teil auch mit Anhänger, entgegenkommen, denen wir bereitwillig Platz machen. Was hier im Hochsommer los ist, wenn dann so mancher Wohnmobil-Fahrer schon an den engen Kehren scheitert, mögen wir uns gar nicht vorstellen …

Uns fasziniert wenig später der „Gorges de la Jonte““ mit seinen 500 Meter hohen Felsen und einer hohen Geierpolulation – einige der Vögel kreisen auch über uns …

In Meyrueis, der alten Marktstadt und südlichsten Gemeinde des Départements Lozère, legen wir unsere Kaffeepause ein. Ein Ort mit Flair, in dem die Vergangenheit Spuren hinterlassen hat. Handel wurde hier betrieben, Religionskriege geführt, Macht ausgeübt – Stadtmauer und Zitadelle sowie der alte Uhrenturm erinnern daran.

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Wir sitzen im „Café de l’Union“ in der Sonne und betrachten das muntere Treiben rund um den „Place Sully“. Zahlreiche alte Brücken führen über das kleine Flüsschen „La Béthuzon“, das zwischen „Quai de la Barrière““ und Altstadt fließt. Ein malerisches Bild.

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Wir wollen weiter. Auf schmaler Trasse erreichen wir Treves. Hier ist guter Rat erst einmal teuer. Denn am geplanten Abzweig zur D341 steht ein Schild, das „route barré “ verkündet. Wenig hundert Meter später machen Absperrgitter deutlich, dass die Streckensperrung wohl ernst gemeint ist und wir den „Col de Pierre Plantée“ nicht erreichen werden. Als uns dann auch noch ein Bauarbeiter entgegenkommt, der energisch mit dem Kopf schüttelt, ist klar: wir müssen eine Alternativstrecke suchen.

Die ist schnell gefunden – und belohnt uns unvermutet mit einem Highligt. Nachdem wir über viele Kilometer auf der D157 kurvenreich dem kleine Flüsschen Trevezel gefolgt sind, taucht hinter einer Kehre plötzlich Cantobre auf. Die wenigen Häuser des kleinen Ortes kleben geradezu auf einer Felsspitze. Ein unglaublicher Anblick. Glücklicherweise findet sich eine lange Gerade, auf der wir mit unserer doch recht großen Gruppe kurz für ein Foto halten können.

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Das gleiche „Glück“ haben wir wenig später auch am „Cirque de Navacelles“. Da können wir unsere Mopeds in einer Felsausbuchtung parken, um das sensationelle Panorama genießen (und fotografieren) zu können.

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Auch wenn der kleine Ort Saint-Maurice-Navacelles zum Greifen nah scheint, kurven wir noch gut sechs Kilometer den Talkessel hinunter, bis wir die große Wiese am Ufer der Vis erreichen, um unsere Motorräder abstellen zu können.

Im „Café du Mas Guilhou“ sind zwei große Tische für uns reserviert; hier wollen wir Mittag machen. Claude begrüßt uns herzlich und auf deutsch; nachdem wir einen erfrischenden, selbstproduzierten Apfelsaft getrunken haben, wird die Speisekarte studiert – die bietet eine reichhaltige Auswahl an „Kleinigkeiten“, etwa krustige Baguettes mit Jambon Cuit und Tomme de Lozère oder Fromage frais und Lardons fumé – lecker.

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Ein Bummel durch die engen Gassen der Handvoll an Häusern oder ein Abstecher hinunter an den Fluss runden unseren Besuch in Hameau de Navacelles an; so langsam treten wir die Rückreise zum Hotel an.

Schmal und kurvenreich windet sich die Straße aus dem Talkessel hinaus, gut 90 Kilometer liegen bis zur nächsten Pause vor uns. Meist haben wir freie Fahrt; nur ganz selten bremst uns mal ein Laster kurzzeitig aus. Mal sind wir auf gut ausgebauten Landstraßen unterwegs, mal mehr auf asphaltierten Waldwegen. Gelegentlich lädt ein Belvedere zum kurzen Fotostopp, wie der „Belvedere de Cravate“ nahe des „Col de Minier“, über den die Wasserscheide zwischen Atlantik und Mittelmeer verläuft.

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Wieder geht es hoch hinaus. Bis fast hinauf auf den Gipfel des 1567 Meter hohen Mont Aigoual – den höchsten Berg  im Departement Gard und zweithöchsten in den Cevennen – führt uns unsere Route. Die letzte bewohnte Wetterstation findet sich auf dem Gipfelplateau, bei klarer Sicht reicht der Blick bis zum Mittelmeer, den Alpen und den Pyrenäen.

Wir haben Glück, denn auch heute scheint die Sonne. Meist herrschen am Mont Aigoual extreme klimatische Bedingungen: an 170 Tagen im Jahr regnet es hier; am 30. Oktober fielen innerhalb von 24 Stunden 607 mm Niederschlag, die maximale Neuschneehöhe eines Jahres beträgt 10,24 Meter, die tiefste Temperatur, die bislang gemessen wurde -28 °C. An 140 Tagen im Jahr ist es frostig, an 114 Tagen liegt Schnee.

Zudem ist es an 241 Tagen im Jahr nebelig – und meist auch sehr windig. Am 6. November 1966 tobt ein Sturm mit einer maximalen Windgeschwindigkeit von 335 km/h um den Aigoual. Und heute? Ein laues Lüftchen und strahlend blauer Himmel. Wenn Engel reisen …?

Am Mont Aigoul entspringt der Tarnon, ein kleines Flüsschen, dessen Lauf wir bis Rousses folgen. Gerade einmal autobreit ist die D119, die sich durch eine malerische Landschaft windet. Wir überqueren den Tarnon auf einer alten, steinernen Brücke, zirkeln uns eine enge Serpentine hinauf und lassen unsere Motorräder am „Café de Pay“ ausrollen. Hier haben wir uns für den Nachmittagskaffee angekündigt.

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Christin erwartet uns schon. Extra für uns hätte sie Galotte gebacken – kleine Leckereien, erzählt sie uns. Wenig später genießen wir herrlich fluffige Maronen-Küchlein auf einem Vanillesoßen-Spiegel. Das Leben kann so schön sein … (wieder einmal).

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Es ist viertel vor sechs, als wir zur letzten Etappe aufbrechen. Gut 75 Kilometer liegen vor uns, etwa eineinhalb Stunden Fahrt. Wie an einer Perlenschnurr aufgereiht ziehen wir unsere Bahn. Acht Motorradfahrer, die sich mit Leidenschaft in jede Kurve werfen und diese Fahrt genießen. Die tief stehende Sonne blendet. Ich bin froh, einen Helm mit langem Windschild auf dem Kopf zu haben. Neige ich den Helm ein wenig, kann ich den Straßenverlauf gut erkennen.    Manch anderer scheint mir eher im Blindflug zu folgen – immer dem roten Rücklicht nach.

Um 19:20 Uhr stehen wir in Châteauneuf de Randon an der Tankstelle. 335 Kilometer zeigt der Tageskilometerzähler. Maximal 40 Kilometer wären noch gegangen, bis die ersten Maschinen ohne Sprit liegen geblieben wären 😉

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Im Licht der untergehenden Sonne tanken wir voll, kurz darauf stehen die „Pferde“ wieder im Stall – dreizehn Minuten nach dem Tanken genießen wir ein spätes Feierabendbier, bevor es unter die Dusche und dann zum Abendessen geht.

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Das Abendessen haben wir uns redlich verdient. Morgen werden wir noch einmal in den Cevennen unterwegs sein, bevor es dann wieder zurück an den Genfer See gehen wird.

Der Kartenausschnitt zeigt die Strecke, die wir am Mittwoch, den 11.9.2019 zurückgelegt haben. Im anschließenden Post siehst Du die Route auch im Video. Das haben wir, zusammen mit einem kurzen Text; schon während der Tour veröffentlich.

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Quelle: MapOut – eine sehr empfehlenswerte App

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