350 schwankende Meter

Wer ist nur auf die verrückte Idee gekommen, irgendwo im Nirgendwo für 1,2 Millionen Euro eine abenteuerliche Hängebrücke zu bauen, die nur nach einen mindestens 30 minütigen Fußmarsch zu erreichen ist, um damit jährlich 170.000 Besucher in die Region zu locken?

In einem Workshop zur „Entwicklung der Dorfgemeinde Mörsdorf“ war dieser Plan 2006 entworfen und dann zunächst für nicht realisierbar gehalten worden. Doch wie das mit ungewöhnlichen Ideen ist, irgendwer glaubt doch an das Unmögliche. Vier Jahre später hatten drei Gemeindemitglieder, die fortan die Brückenträumer genannt wurden, einen Grundsatzbeschluss zur Umsetzung erreicht; am 26. Mai 2015 wurde mit dem Bau begonnen und nur 130 Tage später stand die Brücke.

Der ungewöhnliche Name „Geierlay“ leitet sich übrigens aus dem historischen Namen des Flurstücks ab, auf dem das imposante Bauwerk errichtet wurde. Dabei steht das Wort Lay etymologisch für Fels und deutet auf die örtlichen Schiefervorkommen hin. Mit dem Begriff Geier wird hingegen auf die vielen Greifvögel verwiesen, die einst über dem Tal kreisten. Auch die Namensfindung war Teil eines Wettbewerbs – Mörsdorf scheint, was die Einbeziehung und Beteiligung der Bürger betrifft – ganz vorne dabei zu sein.

Mehr Infos gibt es hier.

Wir starten unsere vhs-Tagestour zur „Geierlay“ des morgens um 9 Uhr an der Raststätte Heidenfahrt, gelegen an der A 60, nahe Mainz. Damit wir ein ordentliches Stück vorankommen, wird hier noch mal vollgetankt. Als ich die Zapfpistole in den Tank halte, glaube ich erst, mich vergriffen zu haben: 1,67 werden für den Liter 95er Super aufgerufen. Das ist heftig!

Wenig später gehts los. 12 Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer hatten sich zu dieser Tour der Volkshochschule des Main-Taunus-Kreises angemeldet, Alle waren zum Treffpunkt gekommen – nur einer nicht: der stand auf der anderen Rheinseite und fand die Fähre nicht. Kein Problem: wir treffen uns bei der ersten Kaffeepause, meinte ich, als mir per Telefon die Botschaft des verzweifelt Suchenden übermittelt wurde. Das hat dann auch geklappt 😉

Schon nach wenigen Kilometern verlassen wir die Autobahn. Und weil wir gut in der Zeit liegen, bietet sich die Gelegenheit, bei Gau-Algesheim von der eigentlich geplanten Route abzuweichen und noch einen kleinen, kurvenreichen Schlenker über Appenheim und Horrweiler einzubauen. Es geht durchs rheinhesissche nach Guldental und weiter Richtung Gräfenbacher Hütte.

Auf schmaler Trasse bremst uns unvermutet eine Herde Kühe aus, die vor uns „im Dauerlauf“ über den Asphalt getrieben werden. Wir halten gebührenden Abstand und freuen uns, dass der Bauer die Tiere wenig später in einen Waldweg treibt, so dass wir passieren können. Danke schön.

Mittlerweile sind wir tief im Hunsrück und nehmen Kurs aufs „Haus Waldesruh“; da wollen wir die morgendliche Kaffeepause einlegen.

Auf der sonnigen Terrasse genießen wir die kleine Pause, die sich – weil es so schön ist – ungewöhnliche lange hinzieht.

Auf der nächsten Etappe geht es zunächst an den Rhein und dann hinüber zur Mosel. Auf zumeist kleinen, kurvenreichen Straßen schlagen wir einen Bogen nach Boppard, um dann nach Westen abzuzweigen. Steil und kurvenreich windet sich die schmale Straße das mächtige Schiefergebirge hinauf, um bei Brodenbach die Mosel zu erreichen. Kurz zuvor lädt ein kleiner Aussichtspunkt zu einem Fotostopp mit imposantem Ausblick.

In Emmelshausen legen wir unsere Mittagspause ein und genießen bei „San Marco“ leckere Pizza und Pasta.

Pizza_1

Noch einmal unternehmen wir einen Abstecher an die Mosel und legen hinter Treis einen kurzen Zwangsstopp ein. Bei der Fahrt durch die engen Gassen mogeln sich ein paar Autos in die Gruppe – und wir verlieren uns. Also umdrehen und den Rest der Truppe suchen. Das mit dem Rückspiegel üben wir noch mal 😉

Im weiteren Verlauf fahren wir durchs herrlich kurvenreiche Flaumbachtal. Vor uns der Nachwuchs auf zwei Rädern. Die örtliche Mokick-Gang knattert, in blaue Zweitaktfahnen eingehüllt, kreischend und mit stolzen 60 km/h über die schmale Landstraße – alle mit Kutte und Colour versehen. Wir überholen schließlich freundlich grüßend und die Jungs freuen sich sichtlich.

Bald darauf ist Mörsdorf erreicht. Schon von weitem weisen große Schilder darauf hin, wo geparkt werden darf – und wo nicht. Die 600 Seelen-Gemeinde ist von dem Ansturm auf die Hängeseilbrücke völlig überrannt worden; mittlerweile ist man aber dem Problem der „Wildparker“ zumindest Herr geworden.

Wir orientieren uns Richtung „Besucherzentrum“, stellen aber fest, dass Motorradfahrer dort nicht parken dürfen. Doch gleich hinter dem nahegelegenen Friedhof findet sich eine große Wiese, auf der wir unsere Moppeds – gegen Gebühr – abstellen können.

Am Besucherzentrum finden sich Spinde, in denen sich Helme und Jacken einschließen lassen – und es gibt den guten Tipp, nicht gleich dem ersten ausgeschilderten Abzweig zur „Geierlay“ zu folgen. „Biegen Sie erst hinter dem Café links ab, dann kommen sie auf einen Weg, der weitestgehend durch den Wald führt. Der ist zwar fünf Minuten länger, aber schön schattig“, wird uns empfohlen. Die Strecke ist schmal und reichlich hügelig – vor allem aber wesentlich schöner als der asphaltiere Wirtschaftsweg, über den die Massen zur Brücke strömen.

Gut eine halbe Stunde sind wir zu Fuß unterwegs, dann haben wir unser Ziel erreicht: die Geierlay. Sieht auf den ersten Blick gar nicht so schlimm aus, aber nach den ersten Schritten wird deutlich: das Ding schwankt ordentlich. Für mich ist das nichts und auch zwei aus der Gruppe machen schon nach wenigen Schritten kehrt – der Kopf macht einfach nicht mit.

Alle anderen aber wagen das Abenteuer und laufen über die imposante Hängebrücke. Steil ist der Aufstieg bis zur anderen Seite – und ebenso steil der Rückweg. Wir beobachten das muntere Treiben und sehen so manchen Besucher mit bleichem Gesicht, starrem Blick und wackeligen Knien, der sich krampfhaft an den Stahlseilen festhaltend Schritt für Schritt vorwärts wagt – oder auch wagen muss, weil er auf dem Rundwanderweg unterwegs ist.

Reichlich abgekämpft sitzen unsere „Helden“ wenig später oberhalb der Brücke und verschnaufen ein wenig. Es ist schon verrückt: da laufen täglich hunderte von Menschen über Feld und Flur, nur um die Hängebrücke anzuschauen oder einmal über sie zu gehen. Auf wir haben eine weite Anfahrt in Kauf genommen –  das Marketing-Konzept hat funktioniert.

Kaffee

Im Gasthaus Wendling legen wir auf dem Rückweg noch eine Kaffeepause ein, bevor wir wieder die Heimreise antreten. Es ist schon fast 18 Uhr, als wir aufbrechen. Einige fahren direkt, der Rest folgt uns bis hinunter an den Rhein, den wir bei Bacharach erreichen. Bei Niederheimbach geht’s auf die Fähre nach Lorch – scheint auf der anderen Rheinseite noch die Sonne.

Die beginnt gerade hinter der imposanten Burg Hohneck zu versinken und spiegelt sich prächtig im Wasser des Flusses.

Nun trennen sich unweigerlich unsere Wege. Stefan fährt mit einem kleinen Grüppchen noch mal durchs Wispertal, alle anderen entlang des Rheins Richtung Wiesbaden. Mittlerweile ist es schon nach sieben – heute bleibt die Küche kalt. Statt dessen wird noch ein Stopp bei Walters Futterkrippe eingelegt: Nürnberger Bratwürste auf Kraut mit einer Portion Pommes – lecker.

Mit den letzten Sonnenstrahlen fahre ich nach Hause. So liebe ich das: den Tag optimal nutzen. Um 8 Uhr bin ich gestartet, um 21 Uhr bin ich wieder zurück. Elf herrliche Stunden mit dem Motorrad unterwegs. 370 Kilometer gefahren, 3,6 Kilometer gelaufen, viel erlebt und viel gelacht – ein toller Tag.

In diesem Jahr bieten wir noch zwei Tagestouren für die Volkshochschule des Main-Taunus-Kreises an. Am Samstag, den 15.9.2018, wollen wir zum südlichsten Punkt in Hessen fahren und am Samstag, den 13.10.2018, zum Saisonabschluss zum Donnersberg in der Pfalz.

Anmeldungen direkt über die Homepage der vhs. Entsprechende Infos gibt es hier.

2 Antworten zu “350 schwankende Meter

  1. Toller Trip und tolle Bilder!

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